Alt-Wiedikon

Quelle: Quartierspiegel der Stadt Zürich

Der Name von Wiedikon leitet sich ab vom Hof eines alemannischen Siedlers namens Wiedo, was «der Gottgeweihte» bedeutet. Erstmals urkundlich erwähnt wird «Wiedingchova» im Jahre 889, als der Grundeigentümer Perchtelo seinen Besitz in Wiedikon dem wenige Jahrzehnte zuvor gegründeten Kloster Fraumünster schenkte. Ende des 15. Jahrhunderts waren die hohe und niedere Gerichtsbarkeit an die Stadt Zürich übergegangen, welche die Qbervogtei Wiedikon errichtete. Diese bestand bis 1798 und umfasste neben dem heutigen Wiedikon auch Aussersihl, das Industriequartier, Albisrieden und Altstetten sowie Aesch bei Birmensdorf. Beinahe ein ganzes Jahrhundert lang blieb Wiedikon schliesslich eine selbstständige Gemeinde. Die Entwicklung verlief in dieser Zeit rasant: Um 1800 hatte Wiedikon ungefähr 620 Einwohnerinnen und Einwohner, die im Haufendorf bei der Schmiede, den Weilern Wyl an der heutigen Haldenstrasse, Friesenberg oben an der gleichnamigen Strasse oder einem der Landgüter und Einzelhöfe wohnten, die über das Gemeindegebiet verteilt waren. 1837 eröffnete mit der Papierfabrik an der Sihl die erste Manufaktur ihre Pforten. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts folgte eine ganze Reihe von Ziegel- und Backsteinfabriken. Etwas später erfolgte der Bau der ersten Eisenbahnen durch Wiedikon: Die linksufrige Seebahnlinie als Teil der Gotthardlinie, die Uetlibergbahn und die Sihltalbahn. Der auf Wiediker Boden liegende Friedhof Sihlfeld wurde durch das Rösslitram erschlossen. Es folgte der Bau der ersten Mietskasernen in Wiedikon. Und die Bevölkerungszahlen schossen von 2848 im Jahre 1870 auf 8125 im Jahre 1894. Die Gemeinde war durch die ungebremste Entwicklung - mit der auch die öffentlichen Dienste Schritt halten mussten - und durch die gleichzeitig ziemlich knappen Kassen sehr stark gefordert. Deshalb befürworteten die Stimmberechtigten von Wiedikon die Vereinigung mit der Stadt Zürich - die so genannte 1. Eingemeindung-, über die am 9. August 1891 abgestimmt wurde, mit 1113 Ja zu 23 Nein.

Wiedikon bildete von 1893 an zusammen mit Aussersihl und dem damals noch zu Aussersihl gehörenden Industriequartier den Stadtkreis Zürich 111. Durch eine Aufteilung des Kreises Zürich 111 im Jahre 1912 wurde Wiedikon zum Kreis 3, Aussersihl zum Kreis 4 und das Industriequartier bildete den Kreis 5. Wiedikon gehörte immer zu den bevölkerungsreichsten Stadtkreisen von Zürich und in den 1940er und 1950er Jahren stand es sogar zuoberst auf der Liste. - Diesen Rang hat ihm später der Kreis Zürich 11 streitig gemacht. Der Kreis 3 wurde auf Grund seiner Grösse in die Quartiere Alt-Wiedikon, Friesenberg und Sihlfeld aufgeteilt. Das Zentrum der früheren Gemeinde Wiedikon befindet sich um die Tramstation Schmiede Wiedikon. Administrativ wird es heute zerschnitten durch die Grenze zwischen den Ouartieren Alt-Wiedikon und dem Sihlfeld, die der Birmensdorferstrasse vom Heuried an die Schmiede und der ZurIindenstrasse, und von der Schmiede bis zur Sihl am Sihlhölzli folgt. Vom Sihlhölzli bis zum Militärsteg in der Allmend Brunau bildet die Sihl die Grenze zur Enge und zu Wollishofen. Die Grenze zum Quartier Friesenberg geht von dieser Brücke über die Allmend Brunau bis zum Albisgüetliweg, von dort zwischen dem Strassenverkehrsamt und der Credit Suisse Brunau an die Uetlibergstrasse, über den Hegianwandweg bis zur Halde oberhalb der Binz, den Borrweg hinunter bis zum Agnes Robmann-Weg und den Geleisen der Uetlibergbahn. Der Bahnlinie folgt sie bis zur Station Friesenberg und geht schliesslich entlang der Strasse Wasserschöpfi bis an die Birmensdorferstrasse unterhalb des Gemeinschaftszentrums Heuried.

Wiedikon war ein so genanntes Haufendorf, das sich entlang der beiden Strassenzüge der Birmensdorferstrasse und Schlossgasse und der Zweierstrasse gruppierte. Die Schmiede, nach der die Gegend heute genannt wird, wurde erst 1808 errichtet und 1933 für den Neubau an der Ecke Birmensdorferstrasse Schlossgasse abgebrochen. Gleich hinter der Schmiede wurde 1791 das Bethaus eingeweiht, und zwar durch den damaligen, schon zu Lebzeiten berühmten Pfarrer Johann Caspar-Lavater von St. Peter. An das Bethaus wurde ein kleines Schulhaus mit einer Wohnung angebaut. Und hinter dem Bethaus legte man zur gleichen Zeit den Friedhof an, der bis 1882 benutzt wurde. Heute führt die Kehlhofstrasse überTeile des ehemaligen Friedhofgrundstückes. An der Parallelstrasse zur Schlossgasse, der Zweierstrasse, befinden sich die denkmalgeschützten Oetenbachhäuser. Sonst sind die älteren Bauzeugen aus dem Zentrum von Wiedikon samt und sonders abgebrochen worden. Besonders stolz war man im Quartier, als 1958 an der Birmensdorferstrasse 155 das erste Hochhaus im Quartier errichtet wurde. Zu den älteren Häusern gehörten die Gebäude an der Steinstrasse 2 und 4. Sie wurden 1960 abgebrochen, um Platz zu schaffen für den jetzt dort befindlichen Parkplatz. Dagegen konnte das Gebäude an der Steinstrasse 8 erhalten werden. Es ist schon im Jahre 1594 nachgewiesen, nennt sich «Haus zum Eselsschrei» und beherbergt heute das Quartiermuseum von Wiedikon.

Zwischen dem Dorf Wiedikon und der Sihl lag früher die Aegertenwiese, eine zeitweilig als Ackerland benützte Wiese, die als Gemeindeweide diente. Das Land wurde durch die Gemeinde in Bauplätze eingeteilt und mit Strassen und Kanalisation erschlossen. Da es aber im 19. Jahrhundert als sehr abgelegen galt, konnten erst 1888 die ersten Parzellen verkauft werden. Danach scheint die Überbauung zwischen ZurIindenstrasse und Steinstrasse recht zügig vor sich gegangen zu sein, sind doch schon um 1900 wesentliche Teile der ursprünglichen Bebauung errichtet gewesen. Deshalb wirkt das Ouartier zwischen Schmiede und Manessestrasse auch recht einheitlich. Als Abschluss der Erschliessung dieser Gegend ist besonders die Kolonie Austrasse/Steinstrasse der Baugenossenschaft Wiedikon erwähnenswert. Sie wurde 1930 errichtet und steht nicht mehr längs, sondern bereits quer zur Strasse. Ob dies auf die Topografie der Grundstücke am Wiedinghügel oder schon damals vermehrt auf den aufkommenden Strassenverkehr zurückzuführen ist, lässt sich nicht mehr entscheiden.

In der Brunau beginnt die Nationalstrasse nach Chur, die ein starkes Verkehrsaufkommen in Alt-Wiedikon ausgelöst hat. Seit 1974 wird der Verkehr von dort «provisorisch» über die Sihlhochstrasse und dann als Westtangente quer durch die Stadt zu den Autobahnanschlüssen nach Bern und Winterthur geleitet. Ob die Eröffnung des Uetlibergtunnels dank flankierender Massnahmen künftig weniger Verkehr im Quartier mit sich bringen wird, wird allerorts bezweifelt. Die älteste Firma der Stadt Zürich, die 1471 gegründete Papierfabrik auf dem Werd, begann 1837 am Ufer der Sihl mit der Produktion von Papier. 1971 feierte die Firma noch ihr 500-jähriges Jubiläum. ln der Zwischenzeit hat sie weitere Werke erworben, Abteilungen ausgegliedert und fusioniert. Heute hat die Papierhandelsgesellschaft Sihl + Eika Papier AG ihren Sitz in Thalwil und gehört zum finnischen Stora Enso-Konzern. Die Papierproduktionsgesellschaft Sihl Holding AG hingegen hat ihre Produktionsstätte an der Giesshübelstrasse zu Gunsten des Standortes Manegg in Zürich-Wollishofen aufgegeben und ist an die italienische Diatec-Gruppe übergegangen. Übrig geblieben ist die Sihl Manegg Immobilien AG, die mit der Bauherrin Credit Suisse im Moment mit dem Bau von Sihlcity auf dem ehemaligen Fabrikareal das grösste private Hochbauprojekt der Schweiz betreibt. 2007 soll ein eigener Stadtteil mit 100000 Quadtratmeter Mietfläche eröffnet werden, zu dem ein Einkaufszentrum und Multiplexkino, Diskothek und Hotel, Restaurants und Stadtwohnungen gehören. Gegenüber von Sihlcity befindet sich das intensiv genutzte Naherholungsgebiet der Brunau, für das die Stadt ein Nutzungskonzept erstellt hat, das etwa fest-legen soll, wo sich Hunde frei bewegen können und wo man sich «hundefrei» bewegen kann. Vorläufig ist das Projekt einer Freestyle-Anlage in der Brunau wegen angedrohter Einsprachen von Anwohnerinnen und Anwohnern geplatzt. Unbestritten sind dagegen die Fussballplätze oder die Saalsporthalle.

Oberhalb des alten Dorfes Wiedikon wurde zwischen 1898 und 1901 die so genannte Stadtkrone auf dem Bühl errichtet, welche die Bühlkirche und die Schulhäuser umfasst. Um 1910 wurde an der Wiedingstrasse auf dem Bühlhügel eine repräsentative Villa an die nächste gebaut, so dass der Hügel heute den Übernamen «Millionenhügel» trägt. Zwischen dem Bühlhügel und der Grenze zum Quartier Friesenberg wurde seit Mitte des 19. Jahrhunderts Lehm abgebaut, um die dort ansässigen Backstein- und Ziegelfabriken zu beliefern. 1912 fusionierten sie allesamt zur Aktiengesellschaft Zürcher Ziegeleien. Seit den 1980er Jahren verfolgt diese Gesellschaft eine konsequente Diversifikationsstrategie; sie stieg in den letzten Jahren völlig aus der Baubranche aus. Seit 1992 wurden die Zürcher Ziegeleien zu einer Holdinggesellschaft, die heute den Namen Conzzeta Holding trägt. Die ehemaligen Fabrikgelände der Ziegelei-Industrie wurden von der ZZ Immobilien AG, heute Piazza Immobilien, übernommen. Sie dienen der Wohnnutzung, wie etwa die Überbauung auf dem Gelände der Ziegelei im Tiergarten oder werden eher gewerblich genutzt, wie das Gelände der Ziegelei in der Binz. Aber auch die Areale dazwischen sind mit privaten Ein- und Mehrfamilienhäusern, Bauten der Genossenschaften Suwita oder der Gemeinnützigen Baugenossenschaft Wiedinghof oder Wohnungen der Stadt Zürich in der städtischen Wohnsiedlung Heuried überbaut worden. Als letztes grösseres Areal wurde das über 40000 Quadratmeter grosse Gelände des Werkhofes der Baufirma Hatt-Haller zwischen der Halden- und der Bühlstrasse und dem Trassee der Uetlibergbahn umgenutzt. Heute steht dort die riesige Wohnüberbauung Stadtsiedlung Binz. ln vier Häuserreihen mit vier bis sechs Geschossen wurden 364 Wohnungen gebaut. Die Autos werden gleich an der Arealgrenze unter den Boden verbannt, so dass sich die ganze Siedlung als Stadt im Park präsentiert.